Unzulässige Fernsehwerbung: Lidl in Frankreich zur Zahlung von 43 Mio. Euro Schadensersatz verurteilt
Hintergrund und Historie des Rechtsstreits
Im Juli 2025 hat die Cour d’appel de Paris Lidl zur Zahlung von 43 Millionen Euro Schadensersatz an Intermarché verurteilt. Vorausgegangen war ein langjähriger Rechtsstreit mit einer komplexen Verfahrenshistorie. Bereits 2017 hatten Intermarché und Carrefour Lidl wegen TV-Werbung für Sonderangebote verklagt, die gegen französisches Werberecht verstießen. Im Mittelpunkt stand der Vorwurf, Lidl bewerbe im Fernsehen unrechtmäßig Aktionsware.
Die Gerichte urteilten 2020 erstmals gegen Lidl: Intermarché und Carrefour erhielten damals bereits mehrere Millionen Euro Schadensersatz zugesprochen. Lidl führte daraufhin seine Werbekampagne fort, versah die Spots aber mit einem Sternchenhinweis, wonach das Angebot nur in bestimmten Filialen verfügbar sei.
Gegen diese Praxis klagten Intermarché und Carrefour erneut. Während Lidl in erster Instanz (2022) noch obsiegt hatte, beurteilte die Cour d’appel de Paris mit Urteil vom 4. Juli 2025 die Rechtslage anders und gab der Klage statt. Es bestätigte, dass Lidl gegen das Verbot der Fernsehwerbung für Sonderaktionen verstoßen hat.
Lidl hat inzwischen angekündigt, gegen die Entscheidung Revision (pourvoi en cassation) einlegen zu wollen. Das Urteil der Cour d’appel de Paris ist noch nicht rechtskräftig.
Die rechtliche Ausgangslage: Das Verbot der Fernsehwerbung für Sonderaktionen
Zentrale Vorschrift in Verfahren gegen Lidl ist Artikel 8 der Verordnung Nr. 92-280 vom 27 März 1992, der Werbung für „opérations commerciales de promotion“ des Einzelhandels, also Sonderaktionen, im französischen Fernsehen untersagt. Ziel der Vorschrift ist der Schutz der Verbraucher vor irreführenden Werbepraktiken sowie die Herstellung eines fairen Wettbewerbs der Handelsunternehmen. Dieses Verbot ist der Grund, dass in Frankreich Aktionsware überwiegend im Rundfunk beworben wird.
Werbefernsehspots für den Einzelhandel sind grundsätzlich zulässig, verboten ist aber Werbung für Sonderaktionen (opérations commerciales de promotion). Sonderaktionen sind definiert als zeitlich oder mengenmäßig beschränkte Angebote von Aktionsware. Verboten sind somit Angebote, die den Kunden nicht flächendeckend und/oder nicht dauerhaft zur Verfügung stehen.
TV-Spots für Produkte betreffend nur dann keine unzulässigen Sonderaktionen, wenn das beworbene Angebot als dauerhaft einzustufen ist, was nach Ansicht der französischen Gerichte und Behörden voraussetzt, dass das Angebot für mindestens 15 Wochen in allen Filialen des Anbieters verfügbar ist.
Zentrale Feststellungen im Urteil der Cour d’appel de Paris
Das besprochene Urteil vom 4. Juli 2025 hält fest: Die streitgegenständliche TV-Werbung für Produkte, die nicht in allen französischen Lidl-Filialen über mindestens 15 Wochen hinweg verfügbar waren, ist nach Art. 8 des Dekrets 92-280 unzulässig.
Das Gericht stellte weiter fest, dass einschränkende Hinweise in der Werbung, wonach das beworbene Angebot nur in ausgewählten Filialen verfügbar ist, den Rechtsverstoß nicht beseitigen. Intermarché wurde Schadenersatz in Höhe von über 43 Mio. Euro zugesprochen. Die enorme Höhe des Schadensersatzes begründet das Gericht u. a. damit, dass die Klägerin Werbeaufwendungen in dieser Höhe tätigen muss, um die wegen der unzulässigen TV-Werbung an Lidl verlorenen Kunden zurückzugewinnen.
Neben der Geldstrafe wurde Lidl untersagt, weiterhin TV-Spots gleicher Art zu senden, und für jeden Verstoß wurden hohe Zwangsgelder (astreinte) angedroht. Das Gericht stellte zudem klar, dass auf französischem Werbemarkt die Einhaltung der nationalen Werbevorschriften streng überwacht wird.
Zusammenfassung der Rechtslage in Frankreich
Das Werbeverbot nach Artikel 8 für Sonderaktionen ist ein Kernpunkt des französischen Lauterkeitsrechts im Fernsehen: Sonderaktionen (opérations commerciales de promotion), bei denen Preis oder Verfügbarkeit beschränkt sind, dürfen grundsätzlich nicht im Fernsehen beworben werden. Ausnahmen bestehen nur für Angebote, die tatsächlich flächendeckend, dauerhaft erhältlich sind.
Die Definition der Aktionsware und die Sanktionierung von Verstößen findet breite Akzeptanz sowohl in der Rechtsprechung als auch bei der Werbeaufsicht (früher CSA jetzt ARCOM).
Unternehmen, die gegen diese Vorschriften verstoßen, riskieren empfindliche Schadenersatzklagen und Unterlassungsverfügungen, oft auch in erheblicher wirtschaftlicher Größenordnung.
Praktische Hinweise für international tätige Unternehmen
- Beachten Sie das Verbot der Werbung für Sonderaktionen im französischen Fernsehen.
- Die ARPP (Autorité de Régulation Professionnelle de la Publicité) ist die französische Werbeaufsichtsbehörde, die für die Prüfung von TV-/BVOD-Werbung in Frankreich zuständig ist.
- Achten Sie auf die Konformität Ihrer TV-Spots mit den gesetzlichen Anforderungen und den Leitlinien und Empfehlungen der ARPP.
- Zur Vermeidung einer Einstufung als Sonderaktion ist es erforderlich, die flächendeckende und zeitliche Mindestverfügbarkeit (15 Wochen) der Ware zu gewährleisten. Gegenüber der ARPP müssen entsprechende Zusicherungen abgegeben werden.
Fazit
Der Rechtsstreit um Lidl bestätigt: Frankreich verfolgt bei Fernsehwerbung für Sonderaktionen einen konsequenten Verbraucherschutz. Wer gegen die nationalen Vorgaben verstößt, riskiert nicht nur hohe Schadensersatzforderungen, sondern auch nachhaltigen Reputationsschaden. Das besprochene Urteil liefert hierfür ein Beispiel und bestätigt die in Frankreich geltenden Leitlinien für eine rechtlich einwandfreie, transparente und verbraucherschutzkonforme Werbepraxis.
Ihr Team für deutsch-französisches Wettbewerbsrecht bei Qivive steht Unternehmen gerne bei Compliance-Checks und der rechtssicheren Gestaltung von Werbekampagnen zur Verfügung.
18.07.2025